Ein Blick auf das frühere Sportleben in Klein-Gerau ist reizvoll für jeden Sportinteressierten. Zeigt er doch, wie unsere Väter und Großväter sich sportlich betätigten. Der Rückblick ist aber ebenso von Bedeutung für Menschen, die sich mit der Klein-Gerauer Ortsgeschichte befassen. Im Vereinleben lernen wir nämlich Lebensgewohnheiten und Mentalität der früheren Generationen kennen. Selbst die politische Stimmung der damaligen Zeitepochen läßt sich teilweise aus den Vereinsaktivitäten ablesen. Und so erweist sich die Chronik des SV 1912 Klein-Gerau letzlich auch als eine kleines Abbild der Klein-Gerauer Ortsgeschichte.
Gründung im Jahre 1912 als Fußballverein
Das Heimatland des Fußballs ist ja bekanntlich England. Dort war dieses Kampfspiel zwischen zwei Mannschaften schon vor der Jahrhundertwende bekannt, ja es wurden sogar schon reguläre Meisterschaften ausgetragen. Auf dem Kontinent, und damit in Deutschland, entwickelte sich diese Sportart erst sehr viel später. So fand das erste Länderspiel einer deutschen Mannschaft im Jahre 1908 statt. Gegner war die Schweiz. In Klein-Gerau sind die Anfänge des Fußballsports in das Jahr 1912 zu legen, das sich der Verein auch auf die Fahnen heftete.
Wie alles Neue mit gewissen Ressentiments aufgenommen wird, so hatte auch das Fußballspiel seine Kontrahenten. Doch die Faszination des Zuschauers und Fußballanhängers, die von diesem Spiel ausgeht, kurzum, der Fußballsport, entwickelte sich in relativ kurzer Zeit zum Volkssport. Seine Anhänger finden sich heute in aller Welt, auch wenn die nordamerikanischen Staaten hier immer noch eine Ausnahmestellung einnehmen.
Natürlich erlebte die Aufwärtsentwicklung dieser Sportart, wie so viele sportliche und kulturelle Einrichtungen, mit den beiden Weltkriegen erhebliche Rückschläge. Fast in ganz Europa hatte die Fußballfamilie ihren doppelten Blutzoll zu leisten. Die Kriege rissen Lücken in die Reihen der Sportler, brachten das Vereinsleben zum Erliegen. Die Sorgen und Nöte der Nachkriegszeiten, Arbeitslosigkeit, Wohnungsnot und der tägliche Kampf ums Dasein waren keiner Sportart förderlich, der Mensch hatte den Sinn dafür verloren. Doch auch dies war und ist vorübergehender Natur.
Wie mag man wohl an Klein-Gerauer Stammtischen und Ladentheken gespottet, gelästert und sich lustig gemacht haben - vielleicht gab es auch anerkennende Worte - als im Jahre 1912 acht junge Männer sich zum "Fußball-Club Viktoria" zusammentaten. Doch schon damals ließen sich "Die Jungen" nicht beirren und setzten ihren Willen durch - sie spielten Fußball -. Ein Vereinslokal fand sich im Gasthaus "Zum Anker", in dem der Klein-Gerauer Fußballsport bis zur Schließung des Lokals im Jahre 1971 zu Hause war.
Die Vereinsgründer und damit die ersten acht namentlich bekannten Klein-Gerauer Fußballer waren Peter Klappich, Wilhelm Trabant, Martin Friedmann, Heinrich Bernhardt, August Reinheimer, Heinrich Klingler und Georg Nösinger. Sie wählten Peter Klappich zu ihrem Vorsitzenden, der dieses Amt bis 1924 inne hatte.
Das Sportleben in Klein-Gerau zwischen den beiden Weltkriegen
Den ersten Klein-Gerauer Sportplatz gab es in der Gemarkung "Gänseweide" am Waldrand. Dieses sandige, trockene Gelände lag nicht nur weitab von der Gemeinde, sondern war sicherlich auch das ungeeigneteste in der ganzen Gemarkung. Doch aller Anfang ist schwer und die "Fußball-Lobby" war noch klein. Schwierig war es auch mit der Beschaffung von Sportkleidung und Bällen. Dies kostete Geld und es waren für die meisten Leute arme Zeiten, auch wenn sie heute hin und wieder "golden" genannt werden. Doch was stört dies alles eine sportbegeisterte Jugend? So wurde eifrig gekickt, man übte sich mangels Masse in Sechser-Mannschaften (Tormann, Verteidiger, Läufer und drei Stürmer). Bereits nach dem ersten Weltkrieg war man organisiert, es wurde in der C-Klasse Darmstadt gespielt, wo man es bereits 1922 zu Meisterehren brachte. Im Vereinsleben gab und gibt es ein Auf und Ab. So verlor der erste Klein-Gerauer Fußballklub einige aktive Spieler und löste sich bereits 12 Jahre nach seiner Gründung wieder auf.
Die politischer gewordene Gesellschaft der ersten Jahre der Weimarer Republik brachte ein ihr eigenes Vereinsleben auf, das sein Beispiel sucht. Die bereits teilweise vor dem ersten Weltkrieg gegründeten Arbeitervereine erreichten eine Blütezeit. Arbeiter-Turnvereine, Radfahrervereine, Volkshausgemeinschaften und Arbeitergesangsvereine wurden überall ins Leben gerufen. Oft nannten sie sich auch "Freie" Turner, Sänger usw. Sie bildeten einen Gegenpol für die bürgerliche Gesellschaft, die besonders in ländlichen Gegenden eine große Rolle spielte. Die große Aktivität, das sportliche und kulturelle Treiben auf breitester Ebene gerade dieser Vereine ist von keiner nachfolgenden Generation erreicht worden. Diese Entwicklung hatte auch in Klein-Gerau mit der 1921 erfolgten Gründung des "Arbeiter-Turn- und Sportvereins" ihren Niederschlag. Auch dieser Verein übte sich im Fußballspiel, doch war der Fußball hier nur ein Teilbereich der Vereinstätigkeit. Hier erfreuten sich Leichtathletik und Turnen ebenso großer Beliebtheit wie der Fußballsport. Mit der Errichtung des Volkshauses im Jahre 1931 hatte man nun erstmals auch eine Möglichkeit zum Betreiben des Wintertrainings geschaffen. Die Gründung des Naziregimes im Jahre 1933 war zugleich das Ende des Klein-Gerauer "Arbeiter-Turn- und Sportvereins" von 1921 sowie aller Arbeiterorganisationen. Sie wurden zerschlagen und ihres Vermögens beraubt, sie erlebten nach dem zweiten Weltkrieg keine weitere Blütezeit. Zwar lebten viele Vereine in veränderter Form fort, doch ihr Klassenbewußtsein und der Geist der zwanziger Jahre gehörten der Vergangenheit an. So betrieb auch der nach 1933 noch bestehende "Turnverein 1883" das Fußballspiel nur noch als Ausgleichssport. Doch bereits während des Krieges formierte sich eine Jugendfußballmannschaft.
Die Nachkriegsjahre
Das Vereinsleben ging auch nach dem Zusammenbruch 1945 weiter, vielfach kam es zu Gründungen von Sport- und Kulturgemeinden, Organisationen, in denen vorwiegend Sportler aller Arten und Sänger zu Hause waren. Diesen großen Vereinigungen mit ihren zahlreichen Sparten war vielfach keine lange Lebensdauer beschieden, es bestehen nur noch einige. Ähnlich war es in Klein-Gerau, wo sich im Frühjahr 1946 eine SKG konstituierte, deren Vorsitz JAKOB WOLF inne hatte. Die Sparte Fußball in der SKG hatte trotz allem einen guten Start, sie schaffte 1948/1949 den Aufstieg in die A-Klasse. 1951 hieß der Pokalsieger des Bezirks Darmstadt SKG Klein-Gerau, nur knapp war in diesem Jahr der Aufstieg in die Bezirksklasse gescheitert.
Konstituierung des "SV 1912 Klein-Gerau e.V."
Bereits 1953, nur 7 Jahre nach der Gründung der Sport- und Kulturgemeinde Klein-Gerau, spalteten sich Sportler und Sänger und gründeten ihrerseits den "Sportverein 1912 Klein-Gerau e.V." und die "Sängervereinigung 1878 Klein-Gerau". So hat der SV 1912 das Erbe aller Fußballfreunde in Klein-Gerau ab 1912 angetreten. Groß war die Freude in diesem "neuen alten" Verein - insbesondere bei seinem damaligen Vorsitzenden ADAM STOLL, als die erste Mannschaft 1954 die A-Klassenmeisterschaft im Kreis Groß-Gerau erringen konnte. Doch es blühte schon im Spieljahr 1955 ein weiterer großer Erfolg, der größte in der Klein-Gerauer Fußballgeschichte überhaupt: der Aufstieg in die 2. Amateurliga Darmstadt. Das Glück dauerte jedoch nicht allzu lange, die gebietlich Neuordnung der Spielklassen ergab die Rückführung in die A-Klasse, wo sich der SV 1912 Klein-Gerau bis 1959 halten konnte. Mit wechselnden Erfolgen ging es in der B-Klasse Groß-Gerau auf und ab. Erst die Saison 1969/1970 brachte wieder eine Aufwärtstendenz - der Aufstieg in die A-Klasse war geschafft.
1971 konnten die Klein-Gerauer Fußballer am Sportplatz ein modernes Vereinsheim einweihen. Gleichzeitig wurde damals eine Flutlichtanlage in Betrieb genommen. Durch ein Feuer am 24. Januar 1973 kam es zu einer teilweisen Zerstörung des Sportheims. Doch auch dieses unliebsame Ereignis war bald vergessen, denn schon im darauffolgenden Jahr konnten alle Schäden wieder behoben werden. 1976 wurde der stark in Anspruch genommene und über die Jahre hinweg sehr holprig gewordene Sportplatz renoviert. Das Spielfeld wurde als Hartplatz neu angelegt, Parkmöglichkeiten wurden geschaffen und ein Geräteraum wurde fertiggestellt. Fünf Jahre später - im Sommer 1981 - wurde das Sportgelände um einen zusätzlichen Rasenplatz erweitert. Zu dessen Einweihungsfeier, der auch der damalige Landrat WILLI BLODT als Ehrengast beiwohnte, trugen die drei Fußballvereine der Großgemeinde (Büttelborn, Worfelden und Klein-Gerau) untereinander ein internes Turnier aus.
Natürlich besteht der SV 1912 Klein-Gerau heute nicht mehr nur aus einer Fußballabteilung. Bereits 1962 wurde die Abteilung Gymnastik ins Leben gerufen. Zunächst widmete man sich dort nur der Frauengymnastik, später gesellten sich jedoch weitere Gruppen wie das Kinderturnen, die Jazzgymnastik und das Turnen mit Mutter und Kind hinzu. 1965 erfolgte die Gründung der Karnevalsabteilung, die bis ins Jahr 1973 existierte. Unter ihren beiden Sitzungspräsidenten WALDEMAR BECK (1965-1971) und HANS HEINZ (1971-1973) entwickelte sich die Kappensitzung des Sportvereins zu kulturellen Höhepunkten im Klein-Gerauer Vereinsleben.
Seit Mitte 1975 wird im Sportverein Tischtennis gespielt. Dank einer hervoragenden Jugendarbeit ist eine sportlich sehr erfolgreiche Abteilung entstanden, die zwischenzeitlich zu den größten Tischtennisvereinen im Kreis Groß-Gerau zählte. Anfang der Achtziger Jahre Jahre ging es dann "Schlag auf Schlag". Zunächst wurde 1980 die Abteilung Volleyball gegründet, die trotz ihres kurzen Bestehens auf beachtliche sportliche Erfolge zurückblicken kann. Nur ein Jahr später begann man im Verein Handball zu spielen. Aber die Abteilung Handball existierte, trotz guter perspektive, nicht allzu lange. 1982 wurde schließlich die Abteilung Tennis ins Leben gerufen. Sie erlebte in den Jahren 1985 und 1986 einen enormen Aufschwung, denn seither steht den Mitgliedern eine wunderschöne Tennisanlage zur Verfügung. Das jüngste Kind des Vereins ist die Abteilung Wandern die 1992 gegründet wurde.